Die Welt steht vor der größten Herausforderung der letzten Jahrhunderte, denn
die Klimakatastrophe führt zu tiefen und umfassenden Einschnitten in unser
Leben. Daraus ergeben sich zahlreiche Aufgaben, die dringend gelöst werden
müssen – in Europa, im Bund, im Land – und auch in unserer Stadt. Denn im
städtischen Raum werden die Auswirkungen besonders stark zu spüren sein.
600.000 Leipziger und Leipzigerinnen können nicht darauf warten, dass sich erst
morgen oder übermorgen etwas ändert. Aus sozialer Verantwortung ist es geboten,
dass die Stadtspitze heute die Weichen für eine weiterhin lebenswerte Zukunft
stellt. Der verstorbene Bundespräsident Gustav Heinemann meinte einst: „Wer
nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.“ Unsere
Politik muss sich daher ändern, sie muss enkeltauglich werden!
Die Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels und dessen Folgen müssen als
Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden. Kein Leipziger und keine Leipzigerin
darf mit den Problemen, die zu erwarten sind, allein gelassen werden. Die großen
Herausforderungen, vor denen unsere Stadt steht, lassen sich gemeinsam lösen.
Damit sich die Bürgerinnen und Bürger Leipzigs abgeholt und mitgenommen fühlen,
benötigt es einen zukunftsfähigen Fahrplan für eine sektorenübergreifende
Klimapolitik der Stadt. Mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen wollen
GRÜNE, dass Leipzig seinen Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziel liefert und
unsere Stadt an die Folgen des Klimawandels rechtzeitig angepasst wird.
Kurzfristige Maßnahmen (1-2 Jahre)
- Die Stadt Leipzig muss die Emissionen des motorisierten Individualverkehr
in der Stadt deutlich verringern und durchdachte Anreize für die Nutzung
von ÖPNV und Fahrrädern etablieren. Die Stadt gehört den Menschen, nicht
den Autos. Deshalb ist eine Verkehrsplanung notwendig, die dem ÖPNV, dem
Fuß- und Radverkehr Vorrang gibt. Dabei gilt: Jeder Einschränkung muss ein
Angebot vorausgehen!
- Der ÖPNV muss mit Taktverdichtung und Ausbau von Haltestellen- und
Umstiegspunkten ein zuverlässiges und günstiges Angebot darstellen.
Geplante Trambahnlinien sollen als Buslinien kurzfristig in Betrieb
genommen und hiermit Lücken im Netz geschlossen werden. Für die Einführung
des 365-€-Ticket/ 150-€-Ticket für Kinder und Senioren muss die
Anschubfinanzierung aus dem Klimaprogramm der Bundesregierung gewonnen
werden.
- Wir brauchen daher mehr Fahrradstraßen, mehr markierte und separierte
Radwege, kurzfristige Umsetzung der lange geplanten
Radschnellverbindungen, den Ausbau der Abstellanlagen und zügige Maßnahmen
zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr.
- Um die Attraktivität für den Fußverkehr zu erhöhen, werden Stolperfallen
auf den Gehwegen begradigt, Grünzüge angelegt und Plätze aufgewertet. Der
öffentliche Raum in Leipzig wird attraktiver und durchlässiger für
Querende, Verweilende und Spielende.
- Durch die Anpflanzung von jährlich 1000 neuen Straßenbäumen, die Förderung
von Fassaden- und Dachbegrünungen und die Wiederherstellung von Biotopen
werden deutliche Effekte auf das innerstädtische Mikroklima generiert. Die
Umsetzung dieser Maßnahmen soll regelmäßig überprüft werden. Damit wollen
wir die Menschen vor dem Hitzekollaps schützen.
- Der Auwald ist unsere grüne Lunge. Er sichert das innerstädtische Klima.
Um die Ausgleichsfunktion des Auwaldes zu sichern ist ein naturnaher
Waldbau anzustreben. Eingriffe sind nur gerechtfertigt, wenn sie den
Klima- und Artenschutzzielen entsprechen und müssen gut kommuniziert
werden. Dabei unterliegt die Waldbewirtschaftung den Vorgaben des Fauna-
Flora-Habitat-Schutzes.
- Die Maßnahmen müssen über Forschungsvorhaben evaluiert werden, um die
Effekte zu überprüfen und wo nötig nachzusteuern.
- Neben dem Zentrum Nordwest werden auch in Bach- und Musikviertel
Parkraumbewirtschaftungen eingeführt. Die Belegung des gemeinschaftlichen
öffentlichen Raums durch PKW erhält so einen gerechten Preis.
- Mit Logistik-Expertise gilt es einen Innovationscluster „Cleverer
Anlieferverkehr“ zu gründen, um neue Ideen für die Innenstadt und in den
Quartieren zu gestalten.
- Ein neu zu entwickelndes Referat für Themen der Nachhaltigkeit ist so
auszustatten, dass die Wirkung in allen entsprechenden
Verwaltungsbereichen spürbar wird. Im Referat soll fachlich fundiertes
Wissen im Bereich Klimawandel, Klimaschutz und Klimaanpassung vorhanden
sein. Es soll über technisches Know-how verfügen und Bilanzen sowie
Statistiken aufbereiten können, und für die Kommunikation nach innen und
außen zuarbeiten. Wichtig ist eine enge Vernetzung mit den Kommunen des
Leipziger Umlands, um bei Mobilität, Wärme, Energie und Müllbehandlung
sowie bei Finanzierungsfragen Skalierungseffekte zu identifizieren und
realisieren zu können.
- Um die Klimawirkungen von Vorhaben abschätzen zu können, muss innerhalb
der Ratsvorlagensystematik beurteilt werden, welches CO²-Budget für die
Stadt Leipzig zur Verfügung steht. Das heißt, durchgeführte Maßnahmen und
deren CO²-Auswirkungen werden von diesem CO²-Budget der Stadt abgezogen
oder Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt. Dies ist auch im Integrierten
Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030 (INSEK) zu berücksichtigen.
- Verwaltungsinterne Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildungen unterstützen
den Erfolg der Maßnahmen und geben den Bürger*innen einen
Anknüpfungspunkt. Die Mitarbeiter*innen der Stadt sollen mit gutem
Beispiel vorangehen können.
- Bei der beschlossenen Beiratsumgestaltung des „Forum Nachhaltiges
Leipzig“, ist die Ausgestaltung eines Prozesses für Anfragen durch
Bürger*innen und die Mitgestaltung sowie Monitoring des INSEK
festzuhalten.
Mittelfristige Maßnahmen (2-8 Jahre)
- Der Ausstieg aus der Braunkohle – Fernwärmeversorgung bis 2023 ist die
Voraussetzung für eine „Wärmewende“ in Leipzig. Alle Anstrengungen der
Stadtwerke Leipzig und der Stadtverwaltung müssen dahingehend gebündelt
werden, dass eine teure Verlängerung der Fernwärmelieferungen aus
Lippendorf über diesen Zeitpunkt hinaus verhindert wird.
- Die Pläne zu einer grundsätzlich anzustrebenden klimaneutralen Strom- und
Wärmeversorgung der Stadt Leipzig sowie zur Gesamtklimaneutralität der
Stadt (siehe Klimanotstand Stadt Leipzig) müssen auch Szenarien enthalten,
die die städtische Klimaneutralität für die Kernverwaltung bereits 2035
vorsieht. Daher müssen diese auch die Konsequenzen für Mensch und Natur
aufzeigen, sollte die Klimaneutralität erst später erreicht werden können.
- Mit einem jährlichen Monitoring über die Verluste und Gewinne an Grün- und
Brachflächen dokumentieren wir die Entwicklung nachvollziehbar. Ziel ist
der Netto-Null-Flächenverbrauch. Erreicht werden die Ziele durch
flächensparendes Bauen: Bauen in die Höhe, vertikale Nutzungsmischung,
Multifunktionalität. Mit Hilfe des Kompensationsfonds werden Maßnahmen zum
Ausgleich, Entsiegelungen und Rückbau finanziert.
- Flächen, die wichtige Funktionen übernehmen wie Frischluft- und
Kaltluftentstehung, Wasserversickerung, Wasserspeicherung sowie als
Lebensraum unterschiedlicher Arten (Biodiversität) müssen bewahrt bzw. neu
geschaffen werden. Die konsequente Beachtung des Landschaftsplanes bei der
Bauleitplanung gelingt mittels einer Konkretisierung durch
Stadtbiotopkartierung und Biotopverbundplanung. Dies impliziert eine
Ausweisung von Biotop-Tabuflächen und Biotop-Vernetzungsflächen.
Kurzfristig muss zur Zielerreichung eine Stelle Biotopverbundplanung
eingerichtet werden.
- Bürgerinnen und Bürger sind frühzeitig und regelmäßig über kommunale
Klimaschutzziele und Maßnahmen sowie den Stand ihrer Umsetzung im Rahmen
quartiersbezogener „Runde Tische zum Klimawandel und Maßnahmen im
Quartier“ zu informieren und hieran zu beteiligen. Veränderung im Quartier
unterliegen stets sozialen Härtefallprüfungen.
- Das Referat für Digitales soll in Zusammenarbeit mit dem neuen Referat für
Nachhaltigkeit ein online-Angebot entwickeln, welches nicht nur als
wissenschaftliche Plattform für wichtige städtische Klimaindikatoren zu
verstehen ist, sondern auch als eine für Bürger*innen einfach
verständliche und zugängliche Website, welche den Klima(schutz)status der
Stadt offenlegt und dem Gewerbe geeignete Daten liefert. Darüber hinaus
sollen dort gebündelt alle Informationen der Kommune veröffentlicht werden
zu Themen wie Energiespartipps, Projektberichte und Klimaschutzkonzepte,
sowie auch kurzfristig Beratungstermine und Aktionen, neue
Fördermöglichkeiten und Gesetzesänderungen.
- Geeignete Dachflächen und insbesondere Flachdächer müssen für die Nutzung
von Solarthermie und Photovoltaik nutzbar gemacht werden. Dazu gilt es die
Potenzialanalyse auszuwerten und ein Flächenmanagement für Erneuerbare
Energien einzuführen. Vor diesem Hintergrund kann sich bei der Vergabe von
Flächen z.B. an der Dachflächenbörse der Stadt Magdeburg orientiert
werden. Bei der Bereitstellung der Flächen müssen kommunale Unternehmen
und Gebäude (Schulen, Sporthallen etc.) eine Vorreiterrolle einnehmen. Um
die möglichen Investitionsmittel bereitzustellen, sind städtische
Förderprogramme einzusetzen sowie genossenschaftliche Ansätze zu prüfen.
- Den Stadtwerken Leipzig sollen durch eine Lockerung des
Mindestprofitsatzes für Investitionsprojekte Investitionen in Erneuerbare
Energien erleichtert werden.
- Zukünftig müssen Bauleitpläne dazu beitragen, Klimaschutz und
Klimaanpassung durch eine adäquate Stadtentwicklung zu fördern. Bei neuen
Bauvorhaben muss daher im Rahmen der Bauleitplanung ein Klimaschutz– und
anpassungskonzept mit verschiedenen Varianten z.B. zur Energieversorgung
erstellt werden. Bei der Umsetzung kann sich z.B. an den
Effizienzhausstandards der Stadt Freiburg orientiert werden.
- Vor allem die städtischen Betriebe und Beteiligungen müssen sich auf den
Weg machen, nachhaltig zu wirtschaften. Alle geplanten Neubauten in der
Stadt sowie Sanierungsmaßnahmen müssen zwingend unter Einhaltung bereits
geltender städtischer Energieeffizienzvorgaben durchgeführt werden.
- Die Kommunale Energieeffizienz GmbH (LKE) muss sich als energetischer
Contractor am Leipziger Immobilienmarkt anbieten, um über die
verwaltungsseitige Betreuung hinaus Wertschöpfung in kommunaler Hand
generieren zu können.
- Beim Ausbau der Elektromobilitäts-Ladeinfrastruktur muss die LVV eine
Vorreiterrolle übernehmen und Leipzig als Elektromobilitäts-Musterstadt
etablieren.
- Der Leitfaden für klimaneutrale und ökologisch unbedenkliche
Großveranstaltungen wird zum Standard für alle Veranstaltungen auf den
öffentlichen und optional nicht öffentlichen Flächen gemacht (z.B.
Weihnachtsmarkt, Konzerte etc.) und angewendet.
- Um die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler zu sichern und zur
Verringerung des CO2-Fußabdruck der städtischen Schulen wird das Programm
HalbeHalbe in städtischer Trägerschaft weiterfinanziert und ausgeweitet.
Mit der Einrichtung von Quartiersküchen werden Schulen und
Kindertagesstätten, Betreuungseinrichtungen und optional auch
Fußkundschaft mit regional erwirtschafteten warmen Mittagessen und
Vesperangeboten gesund beköstigt.
- Die örtliche Landwirtschaft wird gezielt unterstützt, um den lokalen Markt
zu stärken, Transportwege zu sparen und die Kreislaufwirtschaft zu
stärken. Lokale Markthallen, Foodkooperativen und die regionale
Landwirtschaft werden gestärkt, um Klimaziele sowie Ziele zum Erhalt der
Biodiversität zu erreichen. Dabei wird auf pestizidfreie Anbaumethoden
bestanden, städtische Flächen werden nur noch an ökologische Betriebe und
solche in Umstellung verpachtet. Die Stadt Leipzig entwickelt eine
Vernetzungsplattform für Unternehmen in der Ernährungsbranche, um Best
Practice und Knowhow zu unterstützen und die Öffentlichkeitsarbeit zu
verbreitern.
- Die durch die Auswirkungen des Klimawandels zunehmende gesundheitliche
Gefährdung (z.B. durch Hitzewellen) vor allem für Ältere, Kranke und
Kinder dürfen von der Kommune nicht unterschätzt werden. Deshalb ist es
notwendig, dass sich die öffentliche Gesundheitssorge zusätzliche
Kompetenzen zu den durch extreme Klimabedingungen verursachten Krankheiten
aneignet und in Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Ärzt*Innen ein
Versorgungskonzept entwirft. Präventiv werden Maßnahmen ergriffen wie
z.B.die Bereitstellung einer kostenfreien Trinkwasserversorgung im
öffentlichen Raum oder die Einrichtung von verschattetenSitzgelegenheiten.
Langfristige Maßnahmen
- Das neue Heizkraftwerk Süd kann nur als Brückentechnologie verstanden
werden. So früh wie nur möglich ist auf Erneuerbare Betriebsstoffe
umzusteigen. Damit dies realisiert werden kann, sollen die Stadtwerke
Leipzig im Rahmen der Reallabore der Energiewende des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Energie oder anderer Förderrichtlinien ein
Fernwärmelabor mit alternativen Stoffen (z.B. Wasserstoff), Erneuerbaren-
Energie-Netzen, Insel- und Nahwärmenetzen oder ähnliche Technologien
aufbauen. Für die zukunftsfähige Planung der städtischen Wärmeversorgung
ist ein städtischer Wärmeplan zu erstellen. Dazu gehört auch die
Entwicklung einer Beratungsstelle für die Planung von Quartierskonzepten.
- Zusätzliche Trambahnverbindungen (Nord-Süd-Spange, Anbindung Parkklinikum,
Liebertwolkwitz, Nordraumerschließung) müssen forciert geplant werden und
langfristig verfügbar sein. Auch das S-Bahn-Netz bedarf außerhalb des
City-Tunnels der dringlichen Ergänzung und Verdichtung.
- Der Flughafen Leipzig erreicht seine Ziele zur Klimaneutralität durch nach
CO²-Emissionen gestaffelte Start- und Landegebühren.
- Am einzurichtenden Runden Tisch „Klimafreundliche Logistik und
Automobilindustrie“ werden verbindliche Maßnahmen zur Transformation und
zur nachhaltigen Arbeitsplatzsicherung getroffen.
- Leipzig soll das Schaufenster für nachhaltiges Investment werden. Wir
anerkennen bei der lokalen Wirtschaft das Engagement für den Erhalt und
Ausbau von Arbeitsplätzen und erwarten darum nachhaltiges Wirtschaften.
Wir suchen das Gespräch mit verantwortlichen Unternehmer*innen und setzen
auf Investitionstechnik, die notwendige Anreize für Nachhaltige
Finanzierung liefert. Dazu zählt auch die Entwicklung eines nachhaltigen
digitalen Gründungsclusters, welches als Inkubator für Start-ups zu sehen
ist, die sich in ihren betriebswirtschaftlichen Prozessen oder ihrem
Geschäftsmodell der Klimaneutralität verschrieben haben.
- Leipzig wird als klimaneutrale Kommune bereits 2040 Modellkommune für eine
erfolgreiche Klimaanpassung.
Diese verschiedenen Maßnahmen mit unterschiedlichen Zeithorizonten müssen, wenn
nicht zentral durchgeführt, zumindest zentral beobachtet und nachverfolgt werden
– z.B. durch das neue „Nachhaltigkeits-Referat“, damit Synergien oder
Redundanzen erkannt werden können.
Die Sozialverträglichkeit muss bei jeder Maßnahme gewahrt bleiben, was
insbesondere bedeutet, frühzeitig Entscheidungen zu treffen damit die
Planbarkeit für jedeN gegeben ist und Umstellzeiträume gewährt werden können.
Die Stadtpolitik muss sich verändern, um auf die neuen Anforderungen reagieren
zu können und somit den Bürgerinnen und Bürgern eine lebenswerte urbane Zukunft
zu bieten. Denn wer heute nichts ändert, läuft Gefahr, das zu verlieren, was für
morgen bewahrt werden soll.